
Anna-Maria Renner, M.A.
promoviert im FB 6: Kultur- und Sozialwissenschaften,
Institut für Sozialwissenschaften
+49 (0)261 287-1756
renner@uni-landau.de
Publikationen
Maier, J./Renner, A.M 2017. When a man meets a woman.Comparing the use of negativity of male candidates in single- and mixed-gender televised debates. Political Communication [Online First]. https://doi.org/10.1080/10584609.2017.1411998
Renner, A.M. 2017: Should female politicians avoid appearing emotions? Gender-specific effects of politicians’ emotions on the attribution of competence and social warmth, unter Begutachtung.
Renner, A.M./Mörsheim, Fabian. 2017. Die „jungen Wilden“ in der Politik? Häufigkeit des Emotionsausdrucks von deutschen Politikern mit unterschiedlichem persönlichem und beruflichem Eigenschaftsprofil, unter Begutachtung.
Renner, A.M./Masch, Lena. 2017. Emotional woman, rational man? Gender stereotypical emotional expressivity of german politicians in news broadcasts. Communications [Online First]. https://doi.org/10.1515/commun-2017-0048
Vorträge
2.-3.06.2016 „Die “jungen Wilden” in der Politik? Häufigkeit des Emotionsausdrucks von Politikern mit unterschiedlichem persönlichem und politischem Eigenschaftsprofil” (mit Fabian Mörsheim). Jahrestagung des AK Wahlen und politische Einstellungen, Universität Koblenz-Landau, Campus Landau.
2.-3.06.2016 „Wahlsieger mit gewinnendem Lächeln? Effekte positiver Emotionen auf die Bewertung von Führungseigenschaften deutscher Politiker (mit Oscar Gabriel und Lena Masch)”. Jahrestagung des AK Wahlen und politische Einstellungen, Universität Koblenz-Landau, Campus Landau.
7.-10.04.2016 “When a Man Meets a Woman. Comparing Negativity of Male Candidates in Single- and Mixed-Gender Televised Debates?” (mit Jürgen Maier). Jahrestagung der Midwest Political Science Association (MPSA), Chicago.
7.-10.04.2016 “Should Female Politicians Avoid Appearing Emotional? Gender-Specific Effects of Politicians? Emotions on the Attribution of Different Leadership Qualities?”. Jahrestagung der Midwest Political Science Association (MPSA), Chicago.
11.-13.06.2015 “Prevalence, Nature and Effects of Female Candidates’ Emotional Expressions on Television” (mit Lena Masch). European Conference on Politics and Gender, Uppsala.
10.-11.10.2014 “When do German politicians express emotions on television? A media content analysis of video sequences“ (mit Fabian Mörsheim & Jürgen Maier). MZES-Postdoc-Konferenz „Political Context Matters: Content Analysis in the Social Sciences”, Mannheim.
Lehre
Vertiefungsseminar “Vergleichende Politikwissenschaft” (Universität Koblenz-Landau)
Sommersemester 2017
Lehrforschungsprojekt zur Personalisierung von Politik II (Universität Koblenz-Landau)
Wintersemester 2016/2017
Lehrforschungsprojekt zur Personalisierung von Politik I (Universität Koblenz-Landau)
Sommersemester 2016
Lehrforschungsprojekt zur Landtagswahl in Rheinland-Pfalz II (Universität Koblenz-Landau)
Wintersemester 2015/2016
Lehrforschungsprojekt zur Landtagswahl in Rheinland-Pfalz I, Vertiefungsseminar Demokratie und Gesellschaft in Deutschland (Universität Koblenz-Landau)
Sommersemester 2015
“Empirische Politikforschung, Einführung in die Datenanalyse mit SPSS” (Universität Koblenz-Landau)
Sommersemester 2013
Proseminar “Wahlen und Wähler in Deutschland und im internationalen Vergleich” (Universität Stuttgart)
Februar 2013
“Das Superwahljahr 2013” (Blockseminar an der Sciences Po Bordeaux)
Promotionsthema
„Beyond the Double Bind – Prevalence and Effects of Female Politicians’ Televised Emotions“
Kurzdarstellung
„Beyond the Double Bind – Prevalence and Effects of Female Politicians’ Televised Emotions“
I.1. Forschungskontext, Fragestellung
Im Zuge einer grundlegenden Veränderung von Kommunikationsprozessen in der modernen Massendemokratie wird auch eine Emotionalisierung politischer Kommunikation diskutiert (Adam & Maier, 2010; van Aelst, Sheafer, & Stanyer, 2012). Der Begriff Emotionalisierung beschreibt hier nicht nur den Prozess einer zunehmend emotional gefärbten Berichterstattung, sondern auch die Tendenz, das emotionale Ausdrucksverhalten von Politikerpersönlichkeiten, zum Beispiel in Polit-Talkshows oder bei öffentlichen Auftritten, medial in Szene zu setzen (Grabe & Bucy, 2009; Kepplinger, 2010). Politiker/innen selbst nutzen eine öffentliche emotionale Selbstpräsentation nicht nur zur Erzeugung von medialer Aufmerksamkeit, sondern auch gezielt, um die Wählerschaft anzusprechen und zu überzeugen (Brader, 2006). Ende der 80er Jahre konnte dann die Dartmouth Group, eine amerikanische Forschergruppe um Roger Masters und Denis Sullivan, erstmals mit experimentellen Befunden belegen, dass Emotionen wie Wut, Freude oder Traurigkeit, die von Politiker/innen im Fernsehen gezeigt werden, als kognitiv hoch zugängliche Heuristiken beeinflussen können, wie die Bevölkerung politische Entscheidungsträger/innen wahrnimmt (Sullivan & Masters, 1988; Masters & Sullivan, 2003). Auch neuere experimentelle Forschung untersucht, welche affektiven Reaktionen Emotionsausdrücke von Politiker/innen hervorrufen oder welche Wirkung sie auf die Bewertung von Politiker/innen haben können (Tiedens 2001; Stewart, 2013).
Als einer der Faktoren, die die Wirkung von Emotionsausdrücken vermitteln, wird dabei auch das Geschlecht von Politiker/innen diskutiert (Hitchon, Chang & Harris, 1997; Brooks, 2011). Es wird angenommen, dass Emotionen wie Ärger und Stolz für Politikerinnen als unangebracht empfunden werden und deswegen, anders als bei ihren männlichen Kollegen, zu einer negativen Bewertung von Führungseigenschaften führen. Da jedoch auch der Ausdruck von stereotyp weiblichen Emotionen wie Traurigkeit oder Hoffnung nicht dazu führt, dass Menschen als durchsetzungskräftig oder kompetent wahrgenommen werden, wird oftmals ein emotionaler „double bind“ für weibliche Führungskräfte beschrieben (Hitchon, Chang & Harris, 1997, S. 50; Shields, 2005, S. 7; Brooks, 2011, S. 598): Unabhängig davon, welche Emotionen sie zeigen, können sie mit einer emotionalen Kommunikation scheinbar nur verlieren. Bis jetzt gibt es nur sehr wenige empirische Studien, die untersuchen, ob diese Effekte auch auf den politischen Bereich übertragen werden können. Ausnahmen stellen dabei die experimentellen Untersuchungen von Hitchon, Chang and Harris (1997) und Brooks (2001) dar. Basierend auf den Ergebnissen zur Wirkung emotionaler Wahlwerbung von Politikerinnen auf allgemeine Kandidatenbewertungen, wird ihnen empfohlen, auf den strategischen Einsatz emotionaler Kommunikation zu verzichten (Hitchon, Chang, & Harris, 1997, S. 64). Brooks kommt zur der Einschätzung, dass Politikerinnen und Politiker Emotionalität in ihren Auftritten vermeiden sollten (Brooks, 2011, S. 609). Da keine Unterschiede zwischen den Effekten der Emotionen von Politikerinnen und Politikern gefunden werden konnten, vermutet sie jedoch, dass Politiker/innen im Allgemeinen „immun“ gegen die genderstereotypen Erwartungen an emotionales Ausdrucksverhalten sein könnten (Brooks, 2011, S. 609). Einige empirische Studien bestätigen die Existenz eines „emotional double bind“ auch für weibliche Führungskräfte in der Wirtschaft. Lewis fand heraus, dass weibliche CEOS signifikant schlechter bewertet werden, egal ob sie Traurigkeit oder Ärger zeigen (Lewis, 2001, S. 229). Unterschiedliche Effekte von Emotionen, die von weiblichen und männlichen Führungskräften gezeigt werden, werden auch durch die experimentelle Studie von Brescoll und Uhlmann (2008) bestätigt. Zeigen Frauen Ärger, wird ihnen ein geringerer Status und eine niedrigere Kompetenz zugeschrieben als ärgerlichen Männern und als Frauen, die keine Emotionen zeigen (Brescoll & Uhlmann, 2008, S. 273).
Im Anschluss an die bisher vorliegenden Studien widmet sich der erste Teil dieses Promotionsprojektes der Frage, wie die Emotionen deutscher Politikerinnen auf die Zuschreibung unterschiedlicher Führungseigenschaften wirken.
I.2 Theoretische Grundlagen, methodische Vorgehensweise
Dabei verfolgt das Dissertationsprojekt den Anspruch, einen theoretischen und methodischen Beitrag zum bisherigen Forschungstand zu leisten. Bisherige Forschung betrachtet hauptsächlich, welche Effekte die Emotionen von Politikerinnen auf entweder allgemeine Bewertungen oder Eigenschaftsbewertungen wie Problemlösungskompetenz oder Führungsstärke, die einer leistungsbezogenen Kompetenz-Dimension zugeordnet sind, haben. In Erweiterung zu diesen Studien untersucht dieses Dissertationsprojekt, ob ein “emotional double bind” auch dann eintritt, wenn Effekte von Emotionen auf Zuschreibung von Eigenschaften der sozialen Wärme wie Vertrauenswürdigkeit oder Sympathie betrachtet werden. Darüber hinaus unterscheidet ein Großteil der Literatur entweder nur zwischen den Effekten positiver und negativer Emotionen (Damen, Knippenberg & Knippenberg, 2008, McHugo et al., 1985) oder einzelner Basis-Emotionen wie Freude, Ärger oder Traurigkeit (Sullivan & Masters, 1988; Masters & Sullivan, 2003). Unter Rückgriff auf die submissiveness-dominance-Dimension eines dreidimensionales Emotionenmodells (Russel & Mehrabian, 1977) analysiert dieses Dissertationsvorhaben die Effekte dominanter Emotionen wie Ärger, Stolz oder Freude und die Effekte submissiver Emotionen wie Angst, Traurigkeit oder Überraschung. Auf Basis einer theoretischen Definition dieser Emotionsdimension kann angenommen werden, dass der Ausdruck dominanter und submissiver Emotionen zu völlig unterschiedlichen heuristischen Rückschlüssen zum Vorhandensein von Eigenschaften auf einer Wärme- und Kompetenzdimension führt. In einem weiteren Schritt wird auf Basis allgemeiner Stereotypeninhalte bestimmt, ob submissive und dominante Emotionen für Frauen oder Männer stereotyp angemessen oder unangemessen sind. Mithilfe dieser systematischen Klassifikation stereotyper Emotionalität können spezifische Annahmen dazu getroffen werden, wie das Vorhandensein von genderstereotypen Einstellungsmustern auf Seiten der Wähler/innen die Wirkung von Emotionen, die von Politikerinnen gezeigt werden, vermitteln. Auf Basis dieser Überlegungen und in Abgrenzung zu bisheriger Forschung wird letztendlich die Annahme formuliert, dass auch Politikerinnen die Wahrnehmung von Eigenschaften, die einer Dimension der sozialen Wärme zugeordnet sind, durch das Zeigen submissiver Emotionen positiv beeinflussen können.
Diese theoretischen Annahmen werden mit den Daten eines repräsentativen Online-Survey-Experiment, das im Rahmen des DFG-Projektes „Die Bedeutung von Emotionen für die politische Urteilsbildung“ an der Universität Koblenz-Landau und der Universität Trier im Frühjahr 2015 durchgeführt wurde, überprüft. Dabei wurden circa 1.500 Proband/innen Videostimuli gezeigt, in denen mehrere deutsche Politikerinnen verbal oder nonverbal submissive und dominante Emotionen ausdrücken. Diese Studie unterscheidet sich von den meisten bisherigen empirischen Untersuchungen zur Wirkung von Emotionen, die von Politiker/innen gezeigt werden. Zum einen sind die Daten repräsentativ für deutsche Internetnutzer/innen und basieren nicht, wie oftmals der Fall, nur auf einem kleinen convenience sample. Zum anderen wurde der Stimulus des Online-Experimentes nicht künstlich konstruiert (beispielsweise durch den Einsatz von Schauspieler/innen oder durch das Vorlegen fiktiver Zeitschriftenartikeln), sondern besteht aus Videomaterial, das tatsächlich in deutschen Nachrichtensendungen und Talkshows ausgestrahlt wurde. Dieser realweltliche Charakter des Stimulusmaterials führt zu einer hohen externen Validität der empirischen Ergebnisse. Darüber hinaus bezieht sich die meiste Literatur zum „emotional double bind“ auf US-amerikanischen Daten. Das deutsche Online-Experiment ermöglicht daher wichtige Erkenntnisse über die Wirkung der Emotionen von Politikerinnen innerhalb eines anderen politischen Systems und einer anderen politischen Kultur.
II.3 Vorläufige Ergebnisse
Die Ergebnisse bestätigen nur teilweise die allgemeinen Annahmen zur Wirkung von Emotionen auf die Zuschreibung von Wärme und Kompetenz. Dominante Emotionen wie Ärger und Stolz wirken sich positiv auf die Zuschreibung von Kompetenz aus. Dieser Effekt wird jedoch nicht von Stereotypen vermittelt. Stereotype auf Seiten der Probanden führen jedoch dazu, dass submissive Emotionen wie Traurigkeit, die von weiblichen Politikern gezeigt werden, die Bewertung von Kompetenz und Wärme negativ beeinflussen. Frauen können also durchaus von einer emotionalen Kommunikation profitieren: Entgegen der ursprünglichen Annahmen wirkt sich dabei jedoch gerade ein „männlicher“ Kommunikationsstil positiv aus. Das Zeigen stereotyp „weiblicher“ Emotionalität, die möglicherweise negative stereotype Assoziationen, zum Beispiel einer niedrigeren Führungsstärke weiblicher Politiker erst wachruft, führt hingegen zu negativen Bewertungen.
Promotionsprojekt Teil II
„Emotional Woman – Rational Man? Gender Stereotypical Emotional Expressivity of German Politicians on Television“
II.1 Forschungskontext, Fragestellung
Die Wählerschaft nimmt emotionales Kommunikationsverhalten von Politiker/innen beinahe ausschließlich über die Massenmedien vermittelt wahr. Gerade das Medium Fernsehen hat dabei durch seinen audiovisuellen Charakter besonderes Potenzial, verbale und nonverbale emotionale Botschaften von Politiker/innen sichtbar werden zu lassen (Grabe & Bucy, 2009, S. 18). Umso überraschender ist es, dass es bisher kaum empirische Forschung gibt, die systematisch untersucht, in welchem Ausmaß verbale oder nonverbale Emotionsausdrücke von deutschen Politiker/innen denn überhaupt für den Wähler in der Fernsehberichterstattung wahrnehmbar sind. US-amerikanische Literatur, die den Emotionsausdruck von Politiker/innen behandelt, fokussiert sich ausschließlich auf den Emotionsausdruck des amerikanischen Präsidenten oder von Präsidentschaftskandidat/innen (Grabe & Bucy, 2009; Stewart, 2013). Wird in deutscher Forschung die Sichtbarkeit oder der strategische Einsatz von Emotionen durch Politiker/innen angesprochen, dann meist nur im Rahmen empirischer Studien zur allgemeinen Darstellung von Spitzenpolitiker/innen oder der beiden Spitzenkandidat/innen der großen Parteien in der Wahlkampfkommunikation. Meist beschränkt man sich dabei auf die Analyse von Printmedien (z.B. Koch & Holtz-Bacha, 2008; Drinkmann & Caballero, 2008) oder auf einzelne Wahlkampfinstrumente wie Wahlplakate oder Wahlwerbespots (Lessinger & Holtz-Bacha, 2006; Holtz-Bacha, 2000). Inhaltsanalysen von bewegten Fernsehbildern sind dabei nach wie vor selten: Ausnahmen stellen zum Beispiel die Studien von Jansen et al. 2005 zur (nonverbalen) Kommunikation von Merkel und Schröder in Nachrichtensendungen und die Studie von Maurer (2007), in der unter anderem der Einsatz emotionaler Appelle in einem TV-Duell erhoben wurde, dar.
Ergebnisse der politischen Kommunikationsforschung belegen, dass Politikerinnen und Politiker von den Medien unterschiedlich dargestellt werden. Berichten Medien über Politikerinnen, konzentrieren sie sich oftmals auf ihr Privatleben oder ihr äußeres Erscheinungsbild (Sreberny-Mohammedi & Ross, 1996, S. 108; Braden, 1996, S. 5), Eigenschaften und Themenschwerpunkte werden oftmals genderstereotypen Narrativen entsprechend beschrieben (Kahn & Goldenberg, 1991, S. 184, S. 195). Darüber hinaus erhalten Politikerinnen unverhältnismäßig wenig Aufmerksamkeit durch die Massenmedien (Vos, 2013, S. 402). Aufgrund besonders starker genderstereotyper Erwartungen an die Emotionalität von Frauen und Männer (Plant et al., 2000), ist möglicherweise auch die Medienberichterstattung über die öffentliche Emotionalität von Politikerinnen von Genderstereotypen geprägt. Da Fernsehredakteur/innen die Möglichkeit haben, gezielt Videosequenzen auszuwählen, kann deshalb angenommen werden, dass sich auch die Sichtbarkeit nonverbaler und verbaler Emotionsausdrücke von Politikerinnen und Politikern unterscheidet.
Es besteht jedoch auch die Möglichkeit, dass das emotionale Ausdrucksverhalten von Politikerinnen im Fernsehen nicht nur auf eine bestimmte Art im Fernsehen dargestellt wird, sondern dass es sich aus mindestens zwei Gründen tatsächlich vom Verhalten von Politikern unterscheidet. Zum einen könnten Politikerinnen die genderstereotypen Erwartungen an ein Ausdrucksverhalten von Seiten der Medien und der Wähler wahrnehmen (Herrnson & Lucas, 2006, S. 71) und ihr Auftreten in der Öffentlichkeit dementsprechend anpassen. Zum anderen folgen Politikerinnen in ihrem emotionalem Ausdruck möglicherweise “display rules“ für ein genderspezifisches Ausdrucksverhalten, das oftmals schon im Rahmen frühkindlicher Erziehung vermittelt wird (“a little men do not cry or look afraid”, Ekman & Friesen, 1975, S. 20).
Die Frage, die vor dem Hintergrund der diskutierten unterschiedlichen Effekte der Emotionen von Politikerinnen und Politikern aufgeworfen wird, ist auch in der internationalen politikwissenschaftlichen Literatur unterbeleuchtet: Wie unterscheidet sich die über das Fernsehen rezipierbare öffentliche Emotionalität von deutschen Politikerinnen und Politikern?
II.2 Theoretische Grundlagen, methodische Vorgehensweise
Um Hypothesen zu den Unterschieden der medial wahrnehmbaren Emotionalität von Politikerinnen und Politikern generieren zu können, müssen die Motive und das Verhalten von Redaktionen und der Politikerinnen selbst genauer geklärt werden. Welche Faktoren beeinflussen, dass Medien bei der Berichterstattung über Politikerinnen auf genderstereotype Narrative zurückgreifen? Der Rückgriff auf aktuelle Literatur zur allgemeinen Fernsehberichterstattung über das öffentliche Auftreten von Politikerinnen erlaubt den Rückschluss, dass die mediale Präsentation ihrer Emotionalität genderstereotypen Erwartungen folgt (Sreberny-Mohammedi & Ross, 1996; Braden, 1996; Kahn & Goldenberg, 1991). Darüber hinaus wird auf Basis von Untersuchungen der Kampagnenführung und des Kommunikationsstils von Politikerinnen sowie qualitativen Interviewstudien angenommen (Baeck et al., 2014; Benze & Declercq, 1985), dass ihnen die starken Erwartungen an ein stereotypenkonformes Auftreten bewusst sind und sie sich in ihrer öffentlichen Emotionalität dementsprechend an genderspezifischen Verhaltensregeln orientieren. In Anschluss an eine theoretische Einordnung stereotyper Emotionalität wird letztendlich die Annahme formuliert, dass Politikerinnen im Fernsehen zum einen häufiger Emotionen zeigen als ihre männlichen Kollegen und dass es sich dabei zum anderen häufiger um positive Emotionen als um negative Emotionen handelt.
Diese Annahmen werden mit den Daten einer visuellen Inhaltsanalyse von 70 Nachrichtensendungen und 18 Talkshows, die von Mai 2013 bis April 2014 im deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurden, geprüft. Die Inhaltsanalyse wurde ebenfalls im Rahmen des DFG-Projektes „Die Bedeutung von Emotion für die politische Urteilsbildung“ durchgeführt.
Diese Analyse liefert neue und weitreichendere Erkenntnisse über die Sichtbarkeit von Emotionen von Politiker/innen in der deutschen Fernsehberichterstattung. Anders als bisherige deutsche Studien fokussiert sich diese Studie nicht nur auf einige wenige Spitzenpolitiker/innen, sondern analysiert das nonverbale und verbale Ausdrucksverhalten einer größeren Gruppe von Politiker/innen, die Führungspositionen in der Legislative, Exekutive und in den Parteien auf Bundes- und Landesebene inne haben. Ein Großteil der Literatur, die die Emotionalität von Politiker/innen adressiert, bezieht sich auf den US-amerikanischen Kontext. Der politische Diskurs in Deutschland gestaltet sich im Vergleich mit der politischen Kommunikation in den USA, die stark auf emotionale Apelle setzt, möglicherweise rationaler und weniger emotional. Diese Analyse liefert erstmals empirische und systematische Erkenntnisse über den emotionalen Charakter öffentlichen und im Fernsehen sichtbaren Kommunikationsverhaltens deutscher Politiker/innen.
II.3 Vorläufige Ergebnisse
Die bisherigen Analysen zeigen, dass Politiker/innen in den Nachrichtensendungen signifikant häufiger Emotionen zeigen, dass es dort aber, anders als erwartet, keinen Unterschied im Zeigen negativer und positiver Emotionen gibt. Möglicherweise tauchen Unterschiede im Ausdruck positiver Emotionen von Politikerinnen und Politikern erst auf, wenn die Kontexte, in denen Politiker/innen Emotionen zeigen, unterschieden werden. Einige Studien zeigen, dass Frauen häufiger positive Emotionen in sozialen Kontexten zeigen, z.B. in Gesprächen häufiger anlächeln als Männer. Männer hingegen zeigen stereotyp häufiger selbstreferentielle positive Emotionen wie beispielsweise Stolz (Stoppard & Gunn Gruchy, 1993). Darüber hinaus gibt es Erkenntnisse, dass Politikerinnen Negativität, die möglicherweise mit dem Ausdruck negativer Emotionen einhergeht, im gleichen Ausmaß in ihren Kampagnen nutzen wie ihre männlichen Kollegen (Sapiro et al., 2011, S. 155). Nachdem harte Attacken auf politische Gegner/innen oftmals als erfolgversprechende Kommunikationsstrategie bewertet werden (Mattes & Redlawsk, 2014), gehen Politikerinnen hier möglicherweise das Risiko negativer Bewertungen durch Verletzung stereotyper Erwartungen an ihre Emotionalität ein.
Auf Basis der bisherigen Ergebnisse auf Basis der Analyse von Nachrichtensendungen ist unklar, ob der Unterschied in der allgemeinen emotionalen Expressivität von Politikerinnen und Politikern im Fernsehen auf tatsächliche Verhaltensmuster oder auf die selektive Darstellung durch die Medien zurückzuführen sind. Weitere Analysen auf Basis der Talkshows können hier Klarheit verschaffen. Aufgrund des Livecharakters der politischen Talkshows haben die Redaktionen hier deutlich geringere Möglichkeiten, Emotionalität durch die Auswahl gezielter Bilder zu inszenieren. Sind auch hier Unterschiede im Emotionsausdruck von Politikerinnen und Politikern zu finden, deutet das auf sich tatsächlich abweichendes Verhalten hin.
III. Literatur (Auswahl)
Adam, S. & Maier, M. (2010). Personalization of politics. A critical review and agenda for research. In C. Salmond (Hrsg.), Communication Yearbook 34 (S. 213-257). London: Routledge.
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Ekman, P., & Friesen, W.V. (1975). Unmasking the face. Englewood Cliffs, NJ: Spectrum-Prentice Hall.
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