
Rebekka Smuda, M.A.
promoviert im FB2: Philologie/Kulturwissenschaften,
Institut für Kulturwissenschaft
+49 (0)261 287-1748
smuda@uni-koblenz.de
Publikationen
Smuda, Rebekka (2018). Ethnographisches Denken über Haare. Online abrufbar unter http://hdl.handle.net/10900/83804
Vorträge
30.09.2017 „(un-)behaart- Das Haar als Umschlagstelle von Innen und Außen“ Posterbeitrag auf der Konferenz „Aktuelle Herausforderungen der Geschlechterforschung“, Universität Köln
24.11.2016 „‘Uma questão do cabelo‘ – Haarpraktiken von und ihre Bedeutungen für Brasilianerinnen mit krausem Haar“ auf dem 3. Dresdner Nachwuchskolloquium zur Geschlechterforschung, TU Dresden
17.-19.10.2016 „Der (un-)behaarte Körper als Norm?! – eine Reflexion“ auf der Autumn School: „Evidente Verbindlichkeit zwischen Geltung und Reflexion“, Universität Koblenz-Landau
11-16.09.2016 „Tensions in Field Access – A Reflection” auf der RC33 Conference 2016: 9th International Conference on Social Science Methodology, University of Leicester
06.-07.11.2015: „Trotz ‚Stolpersteinen‘ zur Geschlechtergleichberechtigung im Sinne sozialer Exzellenz?!“ auf der Konferenz: Exzellenz für Alle!? Bürgerwissenschaft, Hochschulen und Wissenschaftsläden — Ein Blick nach vorne!, Jade Hochschule Oldenburg
01.-04.10.2015: „Ethnographisches Denken über Haare“ auf dem 5. Studentischer Soziologiekongress 2015: »Denken über(-)denken«, Eberhard Karls Universität Tübingen
08.-10.4.2015: „Ethnographische Ansätze als gewinnbringender Zugang in der Hochschulforschung“ auf der 10. Jahrestagung der GfHF, Kassel
Lehre
„Körper und Geschlecht“ (Universität Koblenz-Landau)
Wintersemester 2015/2016
„Geschlecht ethnographisch erforschen“ (TU Dresden)
Promotionsthema
Zwischen den Erfahrungen der Verbundenheit und Unverbundenheit:
eine ethnographische Studie zum Umgang mit Körpern im Kosmetikstudio
Kurzdarstellung
(un-)behaart
– Das Haar als Umschlagstelle von Innen und Außen –
Liegen vermeintlich selbstverständliche Alltagspraktiken, wie der Umgang mit den Körperhaaren, unter einer ethnographischen Lupe, offenbaren sich oftmals erstaunliche Zusammenhänge, die sowohl für die Wissenschaftsgemeinschaft als auch für Menschen in ihrer Alltagspraxis von Interesse sein können. „Conversations about body hair hold up a mirror to otherwise unseen aspects of gender and sexuality, making the seemingly benign (‘‘fluffy tufts,’’ “fuzzy patches’’) suddenly endowed with the power to unsettle and transform.“(Fahs 2014: 178) Im vorliegenden Dissertationsvorhaben soll anhand der Thematisierung von Körperhaargestaltungen die Frage untersucht werden, wie Menschen ihren Leibkörper im Umgang mit ihren Körperhaaren wahrnehmen und diesen gestalten. Von Interesse sind insbesondere alltägliche Praktiken sowie ihre lebensweltliche und biographische Einbettung. Um diese Aspekte genauer in den Fokus nehmen zu können, verfolgt das Forschungsvorhaben eine ethnographische Vorgehensweise mittels teilnehmender Beobachtung.
Durch die Auseinandersetzung mit gegenwärtigen Körperpraktiken steht im Mittelpunkt des Forschungsvorhabens zwar ein aktuelles Thema, doch keinesfalls handelt es sich dabei um ein junges Phänomen. Körperhaargestaltung ist eine weltweite, jahrtausendealte Praktik, die den Umgang mit dem eigenen Leibkörper prägt, auch bzw. insbesondere in Bezug auf die geschlechtliche Zugehörigkeit. Aus diesem Grund ist eine Betrachtung und Fokussierung der Kategorie Geschlecht für dieses Dissertationsvorhaben von besonderer Bedeutung. So wird im Folgenden von dem vergeschlechtlichten Leibkörper[1] die Rede sein, um in den Blick nehmen zu können, dass Wahrnehmungen nicht unabhängig von Geschlecht erfahren und erlebt, sondern vielmehr davon bedingt werden. Zurückgegriffen wird hierbei auf den zentralen Ansatz der Geschlechterforschung, wonach die Gesellschaft und das alltägliche Leben in vielerlei Hinsicht vergeschlechtlicht sind. Gesellschaftliche Zusammenhänge sind häufig von Geschlechter-zuschreibungen bestimmt, die nicht nur soziale Abläufe, Ordnungen und Interaktionen strukturieren, sondern auch Identitäten stiften und somit Lebens- und Erfahrungswelten gestalten – einschließlich der Wahrnehmung des eigenen Leibkörpers (vgl. Lenz/Adler 2010: 16).
Die Relevanz des Forschungsgegenstandes ergibt sich daraus, dass mit der Fokussierung von Körperhaargestaltungen, die Auseinandersetzung von ‚Innen‘ und ‚Außen‘[2] sowie eine ‚Verschränkung‘ dieser Aspekte in den Vordergrund rückt. Anliegen dieses Dissertationsvorhaben ist es daher, der „Umschlagstelle“ bzw. dem „Umschlagspunkt“[3] (Husserl 1952) von ‚Außen‘ und ‚Innen‘ nachzuspüren. Weshalb sich für dieses Unterfangen das Körperhaar und seine Gestaltung anbieten, macht zum einen eine Betrachtung bisheriger geistes- und sozialwissenschaftlicher Veröffentlichungen zu Körperhaaren offensichtlich (siehe Forschungsstand), zum anderen aber auch eine Reflexion des heutigen Umgangs mit den Körperhaaren; werben Haarentfernungsstudios- und -firmen doch mit einem besonderen Körpergefühl (vgl. Wax) und ‚berufen‘ sich dabei darauf, dass der haarlose Körper mittlerweile als ‚normal‘ gilt (vgl. Beauty-Enthaarung). Diese Verknüpfung aufgreifend lautet die zentrale Forschungsfrage:
»Wie erfahren sich Menschen in ihrer Umgebung im Umgang mit ihren Körperhaaren?«
Anhand dieser Frage soll zunächst der Blick auf die sinnliche Wahrnehmung gelenkt werden und dabei sowohl die konkrete(n) Räumlichkeit(en) als auch der gesellschaftliche Kontext miteinbezogen werden. Erstgenannter Aspekt, die sinnliche Wahrnehmung, beinhaltet Erfahrungen bei konkreten Praktiken der Körperhaargestaltung, die beispielsweise als schmerz- und schamvoll erlebt werden können, aber auch Erlebnisse, die beim ‚Tragen‘ bestimmter Körperhaargestaltungen im Alltag erfahren werden. In Betracht gezogen wird hier immer auch die Frage, inwieweit diese Wahrnehmungen vergeschlechtlicht und wirkungsvoll sind für die eigene Erfahrung hinsichtlich der geschlechtlichen Zugehörigkeit. Wenn die Rede von den Räumlichkeiten ist, wird insbesondere der Ort der Körperpraktik fokussiert (bspw. ein Kosmetikstudio). Hier steht die Frage nach der ästhetischen Arbeit im Zentrum. Von Interesse ist es nachzuvollziehen, wie von den Gestaltenden (bspw. den Kosmetiker*innen) und den Gestalteten (bspw. den Kund*innen) eine bestimmte Atmosphäre erzeugt und auch erfahren wird. Leitend für dieses Forschungsvorhaben ist, die Menschen als Akteur*innen zu betrachten und nach ihren Gestaltungmöglichkeiten in einem spezifischen gesellschaftlichen Rahmen zu forschen. So soll in den Blick genommen, inwieweit es zu Aneignungs- oder Anpassungspraktiken in Hinblick auf Erwartungen kommt und inwieweit (heteronormative) Geschlechterordnungen hierbei eine Rolle spielen. Das Zusammenkommen von ‚Innen‘ und ‚Außen‘ stellt dabei den roten Faden, das Bindeglied der verschiedenen Aspekte dar und rückt entsprechende Wahrnehmungen und Erwartungen in das Zentrum der Forschung.
Literaturhinweise:
Beauty-Enthaarung (2017): Haarentfernung mit Halawa. Online im Internet: http://www.beauty-enthaarung.de/. [Stand: 30.03.2017].
Dolezal, Luna (2015): The Body and Shame. Phenomenology, Feminism, And The Socially Shaped Body. Lanham [u.a.]: Lexington Books.
Fahs, Breanne (2014): Perilous Patches and Pitstaches: Imagined Versus Lived Experiences of Women’s Body Hair Growth. In: Psychology of Women Quarterly. Jun2014, Vol. 38 Issue 2: 167-180.
Husserl, Edmund (1952): Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie. Zweites Buch. Phänomenologische Untersuchungen zur Konstitution. In: Husserl, Edmund: Gesammelte Werke. Husserliana. Den Haag: Kluwer Academic Publisher.
Lenz, Karl/ Marina, Adler (2010): Geschlechterverhältnisse. Einführung in die sozialwissenschaftliche Geschlechterforschung. Weinheim [u.a.]: Juventa.
Waldenfels, Bernhard (1999): Sinnesschwellen. Studien zur Phänomenologie des Fremden 3. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Wax (2016): Perfekte Haarentfernung mit WAX IN THE CITY. Online im Internet: https://www.wax-in-the-city.com/de. [Stand: 30.03.2017].
[1] Vom Leibkörper zu sprechen begründet sich darin, dass sich dieses Forschungsvorhaben im Sinne einer Abwendung vom cartesianischen Körper-Geist Dualismus dem Gegenstand der Körperhaargestaltung widmen möchte. Es kommt auf diese Weise zu einer Zusammenschau der von Plessner angestoßenen Unterscheidung zwischen Körper-Sein (Leib) und Körper-Haben (Körper). Zwar könnte auch im Anschluss an die Phänomenologie die Rede vom Leib sein, demzufolge Körper und Geist in diesem zusammenfallen, doch hat die Wortwahl Leibkörper zum einen den Vorteil, dass der Doppelaspekt (Körper-Sein und Körper-haben) im wahrsten Sinne aufgrund der Formulierung stets vor Augen geführt wird. Zum anderen aber erleichtert er den Austausch mit Menschen in ihrem Alltag, da Leibkörper der gängigen Rede vom Körper nähersteht als Leib (vgl. Dolezal 2015: 19f.).
[2] Von dem Gedanken angestoßen, Haare als Grenze zu denken, kristallisierte sich im Zuge der theoretischen und forschungspraktischen Konzeption dieser Arbeit, die Formulierung von ‚Innen‘ und ‚Außen‘ heraus. Mit diesen Begriffen soll beleuchtet werden, wie Menschen den Umgang mit ihren Körperhaaren wahrnehmen, wie dieser wahrgenommen wird (vom Umfeld) und wie sich diese Aspekte gegenseitig bedingen und beeinflussen (bspw. hinsichtlich von Erwartungen und Dispositionen). Alternativ könnten auch die Begrifflichkeiten von Selbst- und Fremdwahrnehmung herangezogen werden. Allerdings geraten mit diesen Begriffen verschiedene, forschungsrelevante Aspekte aus dem Blick. So beschränkt sich beispielsweise die Formulierung ‚Innen‘ und ‚Außen‘ nicht allein auf die Wahrnehmung der Anderen, sondern bezieht ebenso eigene Fremderfahrungen in Bezug auf den eigenen Leibkörper mit ein. Hier schließen auch Fragen nach Erfahrungen des Widerfahrens (bspw. von Schmerz oder Scham) und der Unverfügbarkeit des eigenen Leikörpers an. Zugleich sollen aber auch Momente nicht unberücksichtigt gelassen werden, in denen der eigene Leibkörper als objektiviert und gestaltbar erlebt wird. So erweist sich schließlich die Doppelposition des Leibkörpers als Körper-Sein und Körper-Haben als wichtiger Aspekt im Umgang mit den Körperhaaren.
[3]Den Leib als ‚Umschlagstelle‘ zu verstehen, ermöglicht es in den Blick zu nehmen, dass die ‚vermeintlichen‘ Gegensätze wie Kultur und Natur oder Eigenes und Fremdes verflochten sind und ineinander übergehen (vgl. Husserl 1952: 161/286; Waldenfels 1999: 52).